Rückstellungen
Rückstellungen werden für Aufwendungen gebildet, die zum Buchungszeitpunkt zwar nach ihrem Entstehungsgrund, nicht aber in ihrer Höhe oder ihrem Fälligkeitszeitpunkt bekannt sind. Zweck einer Rückstellung ist die periodengerechte Verbuchung von Ausgaben in derjenigen Buchungsperiode, in der sie verursacht werden, obwohl die tatsächliche Zahlung erst später erfolgt.
Der Begriff der „Rückstellungen“– Definition
Wenn du nicht sicher bist, in welcher Höhe eine Verbindlichkeit besteht, so musst du derart zweifelhafte Verbindlichkeiten im Jahresabschluss als Rückstellungen ansetzen. Rückstellungen sind fiktive Verbindlichkeiten (Eventualverbindlichkeiten), deren Bildung mit einer fiktiven Ausgabe verbunden ist.
Bei der Bildung von Rückstellungen musst du das kaufmännische Vorsichtsprinzip beachten (§ 252 Absatz 1 Ziffer 4 HGB). Unternehmen sind nach deutschem Handelsrecht verpflichtet, Verbindlichkeiten mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen (§ 253 Absatz 1 Satz 2 HGB) – also mit demjenigen Betrag, den du für die Erfüllung einer Verbindlichkeit aufwenden musst.
Ungewisse Verpflichtung
Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung ist die ungewisse Verpflichtung deines Unternehmens gegenüber einem Dritten. Die erforderliche Ungewissheit kann sich dabei auf die Höhe, Entstehung oder das Bestehen der Verbindlichkeit beziehen. Bei Verbindlichkeiten, die aufschiebend oder auflösend bedingt sind, führt die Ungewissheit des Eintretens der Bedingung zur Bildung einer Rückstellung.
Eine Ungewissheit bezüglich der Fälligkeit einer Verbindlichkeit ist nach den Grundsätzen des HGB unbeachtlich. Erstellt dein Unternehmen seinen Jahresabschluss jedoch nach den Rechnungslegungsvorschriften des International Accounting Standards (IAS), so ist eine Rückstellung auch bei Ungewissheit hinsichtlich der Fälligkeit obligatorisch.
Die Verbuchung einer Rückstellung erfordert, dass
- die zweifelhafte Verbindlichkeit vor dem Bilanzstichtag entstanden ist.
- du den Erfüllungsaufwand möglichst realistisch schätzt.
Periodengerechte Abgrenzung
Mittels Rückstellung kannst du einen erfolgswirksamen Vorgang periodengerecht abgrenzen.
- Die Bildung einer Rückstellung führt zu einer sofort erfolgswirksamen Aufwandsverbuchung. Der Gewinn des Unternehmens vermindert sich in Höhe der passivierten Rückstellung (oder es erhöht sich ein bereits vorhandener Verlust).
- Die Realisierung der Gewinnminderung oder Verlusterhöhung erfolgt jedoch erst in einer künftigen Bilanzperiode, sobald die Verbindlichkeit fällig wird.
Der Unterschied zwischen Rückstellungen und Rücklagen
Rückstellungen und Rücklagen werden zwar gleichermaßen auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen, haben jedoch vollkommen unterschiedliche Funktionen. Eine Rückstellung ist Bestandteil des Fremdkapitals, da ihre Bildung zweckgebunden im Hinblick auf künftig fällige Verbindlichkeiten erfolgt. Rücklagen dagegen gehören zum Eigenkapital eines Unternehmens (Fallgruppen: Gewinnrücklagen und Kapitalrücklagen).
Rückstellungen – von der Bildung bis zur Auflösung
Grundsätzliche Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen
Rückstellungen dürfen nur gebildet werden, wenn
- eine Verbindlichkeit vorliegt, die dem Rechtsgrund nach besteht (ein bloßes Geschäftsrisiko reicht nicht aus).
- die Verbindlichkeit im Jahr der Rückstellungsbildung entstanden ist.
Zudem ist das Rückstellungen bildende Unternehmen verpflichtet, nach bestem Gewissen eine Schätzung der Rückstellungshöhe durchzuführen.
Passivierungspflicht und Passivierungsverbot
§ 249 Absatz 1 HGB benennt bestimmte Aufwendungen, für die du zwingend eine Rückstellung bilden musst (Passivierungspflicht). Dazu gehören
- ungewisse Verbindlichkeiten
- drohende Verluste aus schwebenden Geschäften
- unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung
- unterlassene Aufwendungen für Abraumbeseitigung
- Gewährleistungen ohne Rechtspflicht
Über ein Jahr alte Rückstellungen musst du verzinsen (§ 253 Absatz 2 HGB).
Für andere Zwecke als die in § 249 Absatz 1 HGB aufgeführten darfst du keine Rückstellungen bilden (Passivierungsverbot, § 249 Absatz 2 Satz 1 HGB).
Rückstellungen bei Bilanzierung nach IAS und nach HGB
Bei einer Bilanzierung nach HGB musst du (wegen des im deutschen Handelsrecht geltenden Vorsichtsprinzips, § 252 Absatz 1 Ziffer 4 HGB) gegebenenfalls auch dann Rückstellungen bilden, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Kostenrisiko verwirklicht, weniger als 50 Prozent beträgt.
Als „wahrscheinlich“ gilt eine Inanspruchnahme, wenn nach der objektiven Sachlage am Bilanzstichtag und nach den bis zur Bilanzerstellung bekannten oder erkennbaren Umständen mit einer Inanspruchnahme aus einer Verpflichtung ernsthaft zu rechnen ist. Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme darfst du nicht von der pessimistischsten Entwicklungsmöglichkeit ausgehen. „Wahrscheinlichkeit“ setzt voraus, dass eine größere Anzahl von Gründen für statt gegen die Inanspruchnahme spricht.
Wenn du hingegen nach den International Accounting Standards (IAS) bilanzierst, so muss die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Kostenereignisses bei über 50 Prozent liegen („more likely than not“), um die Bildung einer Rückstellung zu rechtfertigen.
Buchungssatz bei der Bildung von Rückstellungen
Buchungssatz: Aufwandskonto an Rückstellungen
(Beispiele: Aufwendungen für Betriebsstoffe an Drohverlustrückstellung, Steueraufwand an Steuerrückstellungen)
Rückstellungen auflösen
Die Auflösung gebildeter Rückstellungen ist handelsrechtlich nur dann zulässig, wenn der Grund für ihre Bildung weggefallen ist (§ 249 Absatz 2 Satz 2 HGB). Zu beachten ist das steuerrechtliche Gebot, Rückstellungen bei Wegfall des für ihre Bildung maßgeblichen Grundes aufzulösen.
Buchungssatz bei der Auflösung von Rückstellungen
„Inanspruchnahme“ oder „Verbrauch“ einer Rückstellung bedeutet, dass die Rückstellung zur Erfüllung einer Verbindlichkeit eingesetzt wird. In diesem Fall löst du die Rückstellung auf und stellst die Verbindlichkeit in die Bilanz ein (Passivtausch).
Buchungssatz: Rückstellung an Verbindlichkeiten-Bestandskonto
In der Bilanzposition enthaltene stille Reserven führen bei Auflösung von Rückstellungen zu „sonstigen betrieblichen Erträgen“ (§ 275 Absatz 2 Ziffer 4 HGB).
Buchungssatz bei Auflösung stiller Reserven: Rückstellung an Sonstige betriebliche Erträge
Stellt sich hingegen bei Realisierung eines Risikos heraus, dass Rückstellungen in zu geringer Höhe gebildet wurden, so werden zusätzlich „sonstige betriebliche Aufwendungen“ verbucht (§ 275 Absatz 2 Ziffer 8 HGB).
Buchungssatz: Sonstige betriebliche Aufwendungen an Rückstellungen
Rückstellungen an Verbindlichkeiten-Bestandskonto
Abschluss der Rückstellungskonten
Der Abschluss der einzelnen Rückstellungskonten erfolgt über SBK (Schlussbestandskonto): Beispiel: Prozesskostenrückstellung an Schlussbilanzkonto
Verschiedene Arten von Rückstellungen und Beispiele
Grundsätzlich werden Aufwands- von Schuldrückstellungen unterschieden.
Schuldrückstellungen
Die Bildung von Schuldrückstellungen (auch „Verbindlichkeitsrückstellungen“) erfolgt aufgrund ungewisser Rechtsverpflichtungen gegenüber Dritten.
Zu den Schuldrückstellungen gehören insbesondere
- Pensionsrückstellungen
- Steuerrückstellungen
- Rückstellungen für ohne rechtliche Verpflichtung erbrachte Gewährleistungen
- Drohverlustrückstellungen
Aufwandsrückstellungen
Eine Aufwandsrückstellung basiert auf Selbstverpflichtungen deines Unternehmens. Die möglichen Arten benennt § 249 Absatz 1 Satz 2 HGB. Rückstellungen für Instandhaltung, für Abraumbeseitigung und für Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtung.
Aufwandsrückstellungen
- darfst du nur aufgrund eines Ereignisses bilden, das in dem Geschäftsjahr der Rückstellungsbildung ein Kostenrisiko verursacht hat.
- sind nur in der Handelsbilanz zulässig, nicht aber in der Steuerbilanz. Steuermindernd kannst du einen Aufwand erst nach Anfallen des tatsächlichen Rechnungsbetrages geltend machen.
Die Höhe einer Verbindlichkeitsrückstellung ist „nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ zu bestimmen (§ 253 Absatz 1 Satz 2 HGB).
Rückstellungsgründe
Pensionsrückstellungen
Pensionsrückstellungen decken Verpflichtungen deines Unternehmens gegenüber deinen Mitarbeitern aus der betrieblichen Altersvorsorge ab. Erteilst du deinen Arbeitnehmern eine unmittelbare und verpflichtende Versorgungszusage, so besteht eine Rückstellungspflicht (Passivierungspflicht) nach § 249 Absatz 1 HGB.
Steuerrückstellungen
Steuerrückstellungen werden für Steuerforderungen gebildet, die im Laufe deines Geschäftsjahres entstehen, deren genaue Höhe jedoch noch nicht feststeht.
Sonstige Rückstellungen
Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften („Drohverlustrückstellungen“)
Die Passivierungspflicht für drohende Verluste ergibt sich aus § 249 Absatz 1 Satz 1 HGB. Als Rückstellung ist der Überschuss der eigenen Leistung über den Wert der Gegenleistung zu buchen. Drohverlustrückstellungen werden in der Handelsbilanz, nicht aber in der Steuerbilanz passiviert.
Prozesskostenrückstellungen
Eine Prozesskostenrückstellung ist nur für den Fall eines bei Gericht anhängigen Prozesses zu bilden, an dem dein Unternehmen als Kläger oder Beklagter beteiligt ist. Sie dürfen erst dann wieder aufgelöst werden, wenn das Prozesskostenrisiko aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung entfallen ist.
Rückstellungen für Instandhaltung
Eine Rückstellung für nicht durchgeführte oder geplante Instandhaltungen ist die häufigste Fallgruppe einer Aufwandsrückstellung. Instandhaltungsrückstellungen müssen für solche Instandhaltungen gebildet werden, die im laufenden Geschäftsjahr unterlassen wurden und in den ersten drei Monaten des Folge-Geschäftsjahrs nachgeholt werden.
Kosten für Instandhaltungen, die du voraussichtlich nicht innerhalb des Dreimonatszeitraum durchführen kannst, darfst du nicht als Rückstellung in die Bilanz aufnehmen. Mit der Festlegung einer dreimonatigen Nachholungsfrist unterbindet der Gesetzgeber die Möglichkeiten einer ausufernden und die Bilanz verfälschenden Bildung von Instandhaltungsrückstellungen.
Unzulässig ist die Bildung einer Instandhaltungsrückstellung, wenn dein Unternehmen vor dem aktuellen Geschäftsjahr Kenntnis von erforderlichen Wartungs- oder Reparaturarbeiten hatte (Nachholverbot).
Rückstellung für Abraumbeseitigung
Eine Rückstellung musst du auch für im Geschäftsjahr unterlassene Abraumbeseitigungen bilden, soweit sie innerhalb des folgenden Geschäftsjahres nachgeholt wird.
Rückstellungen für Gewährleistungen (Kulanzrückstellungen)
Die Passivierung einer Kulanzrückstellung dient der Mängelbeseitigung bei unternehmenseigenen Lieferungen und Leistungen. Eine Rückstellung für Gewährleistungen darfst du nur für aus Kulanzgründen (ohne Rechtsverpflichtung) gewährte Leistungen bilden.
Rückstellungen für Garantieverpflichtungen
Eine Rückstellung aus Garantieverpflichtungen deckt die Risiken ab, die zukünftig aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Gewährleistungspflichten, kostenlos zu erbringender Nacharbeiten, Minderungsansprüche, Ersatzlieferungen und Schadenersatzsprüche entstehen können. Eine Garantierückstellung können für einzelne Garantiefälle, aber auch als Pauschalrückstellung gebildet werden – auf Basis einer aus der Vergangenheit bekannten Wahrscheinlichkeit eines Risikoeintritts.
Rückstellungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen
Der Bundesfinanzhof hat im Jahr 2002 entschieden, dass für zukünftig entstehende Kosten für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen Rückstellungen zu bilden sind. Die Höhe der zu passivierenden Rückstellung orientiert sich an den Kosten, die entsprechend den Preisverhältnissen am Bilanzstichtag für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen voraussichtlich entstehen werden.