Digitalsteuer
Der Begriff der „Digitalsteuer“ ist in letzter Zeit zum geflügelten Wort geworden und in aller Munde. Doch warum geht es im Detail, wer ist betroffen und wie wird die Digitalsteuer vermutlich aussehen? Wir geben Dir mit diesem Artikel einen Überblick zu den wichtigsten Eckpunkten.
Definition – Digitalsteuer
Die Grundidee der Digitalsteuer lautet, dass vor allem Konzerne wie Facebook, Google und Co auch in europäischen Ländern Steuern zahlen sollen. Das tun sie bisher nur in minimalem Ausmaß. Woran das liegt werden wir in weiterer Folge im Detail aufzeigen.
Die Digitalsteuer soll nun kurz gesagt dafür sorgen, dass Gewinne in jenem Land versteuert werden, in dem sie erzielt wurden. Das bedeutet in weiterer Folge, dass Werte nichtmehr dort besteuert werden sollen, wo sie geschaffen werden, sondern dort, wo der Konsum stattfindet.
Hintergrund: Was verspricht man sich von der Digitalsteuer?
Die politische Botschaft klingt schlüssig und einfach: Digitale Konzerne verschieben ihre Gewinne und zahlen kaum Steuern. Durch das neue Steuermodell soll diese Vorgehensweise der Vergangenheit angehören. Stattdessen sollen die Gewinne vor Ort versteuert werden müssen, also steuerlich dem Land zugeordnet werden, in dem sie entstehen.
USA vs. Europa – Interessenskonflikte vorprogrammiert
So weit, so gut, doch die Sache hat innerhalb der Argumentationslinie einen klaren Haken. Aus Deutschland werden etwa bekanntermaßen enorm viele Fahrzeuge exportiert. Trotzdem kommen die Besteuerungen auch hier primär Deutschland zu Gute. In der politischen Diskussion wird das gerne verdrängt, mit der Argumentation, dass Internet-Riesen schließlich die Einnahmen über Steueroasen verschleiern und am Ende fast nirgends Steuern zahlen. Es muss allerdings, um beim KFZ-Vergleich zu bleiben, bedacht werden, dass Produkte von Google im Silicon Valley entstehen und nicht in Deutschland. Die Einführung der Digitalsteuer würde dieses Prinzip untergraben, mit dem übergeordneten Ziel, Steuergerechtigkeit herzustellen – oder das zumindest zu versuchen. Unklar bleibt, wie sich die angedachte Vorgehensweise mit jenen Produkten vereinbaren lässt, die von Deutschland aus exportiert werden.
Warum lassen die USA dann zu, dass Unternehmen ihre ausländischen Gewinne zu großen Teilen in Steueroasen verschieben? Einerseits ist es so möglich, den Unternehmen eine rasche Expansion auf internationaler Ebene zu ermöglichen, wobei die Arbeitsplätze überwiegend in den USA geschaffen werden. Andererseits bleibt der Hauptsitz der Unternehmen in den USA – hier fließen also immerhin trotzdem noch hohe Steuerzahlungen.
Standpunkte und Konzepte
Geht man tiefer in die Details zeigt sich, dass es bei der diskutierten Digitalsteuer noch einige Graubereiche gibt, die nicht geregelt sind.
Vorschlag der europäischen Kommission zur Besteuerung digitaler Umsätze
Grundsätzlich soll die Digitalsteuer europaweit eingeführt werden. Die europäische Kommission plant, dass die neue Steuer bei 3% von Umsätzen liegen soll, sofern diese online entstanden sind, indem etwa ein Marktplatz bereitgestellt wird, Nutzerdaten verkauft werden oder es sich um Online-Werbung handelt. Es wird außerdem sichergestellt, dass nur Konzerne betroffen sind, denn der globale Umsatz des Unternehmens muss bei über 750 Millionen Euro liegen, damit es steuerpflichtig wird.
Betroffen wären somit überwiegend die typischen Internet-Konzerne aus den USA. Naheliegend ist daher auch, dass die USA die Digitalsteuer wie einen Importzoll auffassen, was im Umkehrschluss zu einer entsprechenden Gegenreaktion, etwa Strafzöllen auf Produkte aus Europa, führen kann.
Ziele der EU-Digitalsteuer
Die europäische Kommission nennt mehrere Ziele der Digitalsteuer. Im Fokus steht, dass Alleingänge einzelner Länder verhindert und durch eine ganzheitliche Steuerpolitik Schlupflöcher minimiert werden sollen. Ebenfalls wird argumentiert, dass durch die Steuerpolitik europäische Unternehmen derzeit Nachteile gegenüber international agierenden Konzernen aus den USA haben. Diese Argumentationslinie ist allerdings schwer nachvollziehbar. Einerseits treten Konzerne aus Europa ebenso am globalen Markt auf, andererseits wäre die Aussage ja für alle Unternehmen, egal ob in digitalen Märkten oder offline, gültig.
Ausgestaltung der EU-Digitalsteuer
Wie die Digitalsteuer schlussendlich genau aussehen wird, ist noch nicht final entschieden. Sicher scheint der Wert der drei Prozent des erzielten Umsatzes und die Grenze, dass erst Unternehmen ab einem globalen Umsatz von 750 Millionen Euro pro Jahr betroffen sein sollen.
Die Besteuerung ist also so angelegt, dass der Fokus klar auf Online-Konzerne ausgerichtet ist. Drei Prozent klingt im ersten Moment ebenso überschaubar, doch hier ist zu beachten, dass als Basiswert der Umsatz, nicht der Gewinn, herangezogen werden soll.
Digitalsteuer in Deutschland
Um die Digitalsteuer in Deutschland zu beurteilen, muss man einen Schritt zurück machen und das große Ganze betrachten. Deutschland ist ein Exportland. Die Digitalsteuer zielt darauf ab, Leistungen nicht dort zu besteuern wo sie erschaffen werden, sondern da, wo sie konsumiert werden. Für ein Exportland ist das an sich keine gute Sache, schließlich will wohl niemand in Deutschland, dass die Gewinne von Automobilkonzernen, die durch Fahrzeugexporte entstehen, dort besteuert werden, wohin die Fahrzeuge exportiert werden. Das erklärt auch, weshalb die Politik mit der zuvor spontan hochgelobten Digitalsteuer nun teilweise etwas zögerlicher wird.
Kurzfristig klingt es gut, große Konzerne die Steuerschlupflöcher nutzen in Deutschland zu besteuern. Langfristig wäre es jedoch sinnvoller dafür zu sorgen, dass digitale Leistungsangebote in Deutschland – oder zumindest innerhalb der EU – geschaffen werden. Tatsache ist, dass derzeit der Großteil digitaler Technologien importiert wird und hier volkswirtschaftlich trefflich gestritten werden kann ob es klug wäre, nach dem Konsumationsort zu besteuern.
Digitalsteuer in Bayern
Mitten in der deutschland- und europaweit geführten Diskussion um die Digitalsteuer ist Bayern vorgeprescht. Hier wird ein Passus aus dem Einkommenssteuergesetz vereinfacht gesagt so ausgelegt, dass Konzerne wie Google den Kunden Algorithmen überlassen. Demnach wären 15% Quellensteuer fällig – so, als würde ein ausländischer Künstler in Deutschland auftreten. Gleichzeitig fordert Bayern allerdings auch eine bundeseinheitliche Klarstellung der rechtlichen Situation, denn klar ist auch, dass diese Vorgehensweise keine praktikable Dauerlösung darstellt.
Allerdings: Überlassenes Know-How müsste streng genommen so bereitgestellt werden, dass die Kundinnen und Kunden dieses in weiterer Folge selbstständig nutzen können. Ob das bei Google der Fall ist, darf wohl zumindest stark bezweifelt werden. Sicher ist, dass in Bayern die betroffenen Fälle „offen gehalten“ werden, bis es eine bundesweit einheitliche Vorgehensweise gibt.
Das Hauptproblem ist allerdings, dass diese Steuer nicht unbedingt Google, Facebook und Co treffen würde, sondern die Klein- und Mittelbetriebe, die Angebote von Anbietern wie Google und Amazon nutzen. Das löste nicht nur erstmal Panik bei den betroffenen Unternehmen aus, sondern erzürnt all jene, die nun den Eindruck haben, heimische Klein- und Mittelbetriebe werden dafür verantwortlich gemacht, dass Digitalkonzerne keine Steuern zahlen.
Warum eine bundeseinheitliche Rechtsauffassung wichtig ist
Die Höhe von Steuern können regional etwas unterschiedlich ausfallen. Wenn es Deutschland bei der Digitalsteuer allerdings nicht gelingt, einen einheitlichen Standpunkt zu finden, wäre das fatal. Die hohe Belastung, die in Bayern angedacht wurde, wäre eine massive Wettbewerbsverzerrung für die dort ansässigen Unternehmen.
Dazu kommt, dass das Schließen von Steuerschlupflöchern immer auf möglichst globaler Ebene erfolgen muss. Eine europaweit einheitliche Lösung zu finden wird auf Grund des Einstimmigkeitsprinzips in dieser Frage – und der besonderen Position von Irland – vorerst schwierig sein. Zumindest innerhalb Deutschlands sollte jedoch Rechtsklarheit herrschen. Unternehmer brauchen sie und auch für den politischen Außenauftritt des Landes ist es keine gute Optik, regionale Kleinstlösungen zu präsentieren.
Ökonomische und fiskalische Analyse der Digitalsteuer
Wenn wir zusammenfassend alle Aspekte der Digitalsteuer in Betracht ziehen, so kann gesagt werden, dass der Grundgedanke, dass Steuerschlupflöcher geschlossen werden sollen, selbstverständlich positiv ist. Gleichzeitig dürfen jedoch die Taktiken zur Steuervermeidung nicht als Vorwand herangezogen werden, um eine neue Steuer einzuführen, die ein etabliertes System völlig umkehrt. Das System, Erträge aus verkauften Leistungen am Sitz des Unternehmens zu besteuern, also da, wo die Leistungen erschaffen wurden, ist eine Grundlage der Steuerpolitik. Ein Wandel hin in Richtung Besteuerung von Erträgen aus verkauften Gütern und Leistungen dort wo sie konsumiert werden, ist für jedes exportorientierte Land volkswirtschaftlich unsinnig.
Internationale Konzerne brauchen internationale Regeln
Dementsprechend wichtig ist es, Alternativen zu finden. Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden, doch dazu braucht es die Kooperation jener Staaten, die diese Optionen überhaupt erst erschaffen haben. Gleichzeitig muss im Blick behalten werden, dass nicht das gesamte Steuersystem – womöglich zu lasten anderer, exportorientierter Branchen – verändert werden kann.
Hinzu kommt, dass regionale Ansätze keine Lösung sind. Ganz im Gegenteil wäre es gerade bei global agierenden Konzernen wichtig, möglichst globale Antworten zu finden. Eine einheitliche Linie der gesamten EU wäre eine solche Antwort, noch besser wäre, würden auch noch weitere Staaten mit ins Boot geholt werden.
Nachdem Rechtssicherheit ein wichtiger Basispfeiler jeder funktionierenden Volkswirtschaft ist, muss rasch eine tragfähige, klare Lösung entwickelt werden. Diese muss so aussehen, dass heimische Klein- und Mittelbetriebe keine Nachteile erfahren. Die gesamte, bundes- und europaweite volkswirtschaftliche Lage muss stets berücksichtigt werden.
Blick in die Zukunft
Mittel- und langfristig zeigt die Diskussion vor allem zwei Dinge:
- Ein europaweites Steuersystem würde dazu beitragen Schlupflöcher – zumindest innerhalb der EU – zu schließen.
- Deutschland und die gesamte EU müssen versuchen endlich selbst global relevante Technologie-Unternehmen im digitalen Bereich zu erschaffen. Dazu müssen viele Faktoren zusammenspielen, wie im nächsten Absatz erläutert wird.
Alternativen zur Digitalsteuer
Langfristig muss sich der gesamte Grundansatz der hier nun auftretenden Denkweise ändern. Weg von dem Gedanken, jemand hat etwas erschaffen, verkauft es in Deutschland und jetzt müssen wir versuchen ihn hier zu besteuern, hin zu Überlegungen wie es gelingen kann, Unternehmen aus Deutschland so zu etablieren, dass sie international auf digitalen Märkten erfolgreich sind.
Die Voraussetzungen dafür zu schaffen ist eine große Aufgabe. Das beginnt bei einem entsprechenden Bildungsniveau und reicht über spezialisierte Studienangebote bis hin zur Förderung von Start-Ups und der Standortattraktivität für Risikokapitalgeber. Ein lebendiges Umfeld, in dem rasches, globales Wachstum möglich gemacht wird, ist die Basis dafür, globale Digitalunternehmen entstehen lassen zu können.
Selbstverständlich sollen diese auch Steuern zahlen, ganz gleich woher sie kommen und wohin sie exportieren. Wichtig ist, dass die Diskussion über die Digitalsteuer nicht zu einem Ablenkungsmanöver wird, um zu verdecken, dass es aus Deutschland noch immer keinen weltweiten Player á la Amazon, Google, Facebook und Co gibt.
Fazit
Steuerschlupflöcher schließen: ja, bitte! Am liebsten auch für alle anderen Unternehmen, nicht nur für digitale Konzerne. Mindestens genauso wichtig – und vor allem davon völlig unabhängig – ist es, dass Europa zukünftig ein idealer Standort für digitale Unternehmen wird, damit hier vor Ort Technologien entstehen können, vertrieben werden und dann auch die entsprechenden Steuerzahlungen fließen.
Regionale Lösungen sind genauso sinnlos wie das Androhen zusätzlicher Zahlungen für kleine und mittlere Unternehmen, die hier praktisch unbeteiligt mit in das Dilemma gezogen werden könnten. Aus unternehmerischer Sicht wäre es wichtig, ganzheitliche Lösungen auf EU-Ebene zu finden, statt mit regionalen Querschüssen für Verunsicherung zu sorgen.