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Jan Happich: 4-Tage-Woche bei freier Zeiteinteilung

Jan Happich: 4-Tage-Woche bei freier Zeiteinteilung

Aktualisiert am
05
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03
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2024
Foto von einem mehrstöckigen Haus-co tax Kanzlei
Jan Happich

Die Coburger Steuerberatungskanzlei co-tax startete im Januar 2023 mit ihrer 4-Tage-Woche: Gearbeitet wird bis zu 35 Stunden pro Woche bei gleichem Gehalt, die Freitage sind frei. Jan Happich, einer der beiden Inhaber, teilt seine Erfahrungen mit uns. 


Seit etwa einem Jahr habt Ihr bei co-tax neben den bereits bestehenden New Work-Maßnahmen die 4-Tage-Woche eingeführt. Welche Erkenntnisse habt ihr aus euren Erfahrungen bisher gezogen?

Wir brauchten eine gewisse Eingewöhnungszeit. Ich selbst hatte schon früher, Anfang 2021, mit der 4-Tage-Woche begonnen, um mehr Zeit für meine Familie zu haben. Die positiven Effekte hatte ich dadurch längst verinnerlicht. Die Mitarbeiterinnen brauchten jedoch eine Weile, um sich daran zu gewöhnen. 
Inzwischen sind unsere Prozesse gut eingespielt und unsere Mitarbeiter schätzen die Arbeitszeitreduzierung. 

Da unseren Mitarbeitenden auch die Möglichkeiten von Homeoffice sehr wichtig sind, die wir bereits seit 2019 bieten, haben wir dies bei der 4-Tage-Woche so auch belassen, sodass die Mitarbeiter regelmäßig zwei Tage in der Kanzlei und zwei Tage von zu Hause aus arbeiten. Das stellt uns beim Onboarding neuer Mitarbeiter noch vor Herausforderungen, daher erarbeiten wir aktuell ein Mentoringprogramm und einen Büro-Anwesenheitsplan, um neue Mitarbeiter in der Einarbeitungsphase persönlich und bestmöglich zu begleiten.

Außerdem haben wir gelernt, die Arbeitszeiten trotz 4-Tage-Woche noch flexibel zu gestalten.

Es geht also in erster Linie um mehr Flexibilität?

Die Aussicht auf mehr Freizeit durch den freien Freitag ist sehr wichtig, sie beflügelt. Wenn die Konzentration jedoch nachlässt oder ein Kind beispielsweise zwischen Montag und Donnerstag zum Zahnarzt gefahren werden muss, dann haben die Mitarbeiter das Bedürfnis, ihr Kontingent aufzuholen. Dafür kann ihnen der Freitag auch als Zeitpuffer im Homeoffice dienen. 

Dabei wollen wir aber auf keinen Fall Überstunden aufbauen: arbeiten am Freitag sollte die Ausnahme sein und sich auf maximal fünf Stunden pro Monat summieren.

Wie haben eure Mandanten es aufgenommen, euch freitags nicht mehr zu erreichen?

In Richtung der Mandanten hat die Einführung tadellos geklappt. Ein Mandant befürchtete, wir würden die Stundensätze erhöhen und fragte uns, ob unsere Leistungen jetzt mehr kosten würden – natürlich nicht. 

Alle Mandanten haben verstanden, dass wir freitags keine Termine anbieten und halten die Fristen zur Abgabe ihrer Unterlagen entsprechend ein. Der Freitag war schon immer ein relativ ruhiger Tag mit wenigen Terminen und durch Teilzeitkräfte weniger besetzt, da bot sich das an. Viele Mandanten überlegen jetzt auch, bei sich die 4-Tage-Woche einzuführen.

Vor dem Start war bei Euch der Digitalisierungsgrad bereits sehr hoch. 
Was sind die idealen Voraussetzungen für die Arbeitszeitreduzierung?

Für die Arbeitszeitreduzierung muss man schon vorab Spielraum haben. Wenn man Fristen aufholen muss, arbeiten alle am Anschlag. 

Zweitens muss man möglichst volldigitalisiert sein - nicht nur, um Homeoffice zu ermöglichen, sondern auch, um insgesamt schneller zu werden. Dabei verringern sich die langweiligen Aufgaben und die spannenden werden mehr, was wiederum gut für die Konzentration ist.

Außerdem darf man sich nicht übernehmen: Viele Kanzleien haben einfach zu viele Mandanten, die sie irgendwann nicht mehr richtig beraten können. Das erzeugt zu viel Druck, was wir nicht wollen. 

Spannendere Aufgaben und Flexibilität fördern die Zufriedenheit und Loyalität von Mitarbeitern – wie spürt ihr das?

Die Arbeitszeitverkürzung in Kombination mit Homeoffice kommen bei unseren Mitarbeitern sehr gut an. Wir haben beispielsweise erheblich weniger Krankentage - vermutlich, weil die Mitarbeiter insgesamt erholter sind.

In Zeiten des Fachkräftemangels sind attraktive Arbeitsmodelle überlebenswichtig für Kanzleien, um genügend neue Leute für sich zu gewinnen. Dabei geht es nicht nur darum, Mitarbeiter von einem Wechsel in andere Kanzleien abzuhalten. Der Druck in unserer Branche ist sehr hoch und wem er zu hoch wird, der wechselt mitunter in Buchhaltungsabteilungen auf der Industrieseite. Dort ticken die Uhren meist anders und flexible Arbeitsmodelle sind dort auch bereits relativ weit verbreitet.

Die Abwanderung in Richtung Industrie erhöht dabei natürlich den ohnehin schon großen Fachkräftemangel in Kanzleien umso mehr. Wir müssen es also schaffen, Kanzleiarbeit wieder attraktiv und „sexy“ zu machen – moderne Arbeitsmodelle, spannendere Aufgaben und weniger Druck dank Digitalisierung helfen dabei.

Abgesehen von einem besseren Standing bei Fachkräften – rechnet sich die 4-Tage-Woche auch betriebswirtschaftlich? 

Wir haben jedenfalls 2023 das beste Jahr gehabt mit zehn Prozent Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr. 

Wir schaffen tatsächlich mehr in kürzerer Zeit, wenn wir konzentrierter, zufriedener und gesünder sind. Durch verbesserte Prozesse und Technologien können wir außerdem immer mehr Prozessschritte an Softwarelösungen abgeben und dadurch weitere Kapazitäten bei unseren Mitarbeitern frei machen.

Also mehr Mandate in weniger Zeit, ohne dabei auf dem Zahnfleisch zu gehen. Alle sagen, man müsse seine Prozesse ständig verbessern und digitalisieren, aber was ist damit eigentlich genau gemeint?

Scannen ist nur der Anfang, das machen wir schon seit Ewigkeiten, aber echte Zeitersparnis und sinnerfülltes Arbeiten kommen nur zustande, wenn die Programme intelligenter und schneller sind als eine gute Buchhalterin. 

Man muss skalieren können, jedoch nicht auf Kosten der Mitarbeiter. Ein Buchhalter wird müde und macht Fehler, wenn man ihn acht, zehn oder mehr Stunden arbeiten lässt. Eine Software nicht. Die wird immer schneller, je mehr sie dazu lernt. 

Der „Jahresabschluss auf Knopfdruck“ ist das Ziel. Dann kann man mit den Mandanten deren aktuelle Zahlen anschauen und daraufhin Entscheidungen treffen. Schließlich wollen Mandanten die persönliche Beratung. Und so lautet auch unser Motto: Beratung mit Vorsprung“. D.h. unser Anspruch ist, unsere Mandanten anhand von aktuellen Zahlen und Auswertungen aktiv zu beraten. 

Wenn KI zum Einsatz kommt, wird es richtig spannend, also selbstlernende Programme. Und dann wird auch der Beruf noch spannender, weil man mehr Zeit für eben diese Beratung hat. 

PWC investiert global beispielsweise über eine Milliarde Dollar in die Entwicklung von KI. Da liegt die Zukunft.

Welche Softwarelosungen sind im Rahmen der Prozessverbesserung für euch unverzichtbar? 

Buchhaltungsprogramme der Mandanten wie beispielsweise sevdesk bringen uns nur Zeitersparnis, wenn sie eine Schnittstelle zu DATEV haben. Wir brauchen Vertrauen in das System und müssen uns darauf verlassen können, dass das stimmt, was gebucht wird. 

Wichtig ist, dass auch die Mandanten damit umgehen können. Es kostet sonst zu viel Zeit, es ihnen zu erklären. Dann wäre es wiederum günstiger, wenn wir es selbst machen. Wir haben beispielsweise noch eine Handvoll analoger Stamm-Mandanten, die uns seit Jahrzehnten treu sind, einige davon sind Handwerker. Viele dieser analog arbeitenden Mandanten stehen kurz vor der Rente, sodass wir diese dann jedoch nicht mehr auf die digitale Arbeitsweise umstellen. 

Für neue Mandate ist die Voraussetzung in jedem Fall jedoch, dass sie digital mit uns zusammenarbeiten.

Wie beurteilst du die Zukunft analoger Kanzleien im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung?

Die verbleibenden analogen Kanzleien tun sich immer schwerer, weil immer mehr Mandanten und vor allem auch Mitarbeiter digital arbeiten möchten. Die Mandanten wollen keine Pendelordner oder Schuhkartons mit ihrer Kanzlei austauschen, sondern wünschen sich eine vollintegrierte digitale Zusammenarbeit.

Analoge Kanzleien sind auch keine „Altersversorgung“ mehr. Es ist sehr teuer, eine analoge Kanzlei technisch aufzurüsten und die Belegschaft umzuschulen, daher wird ein Verkauf immer schwieriger werden. 

Was rätst du denen, die noch überlegen, neue Arbeitsmodelle einzuführen?

Mut zu haben, Dinge anders zu machen und etwas Neues auszuprobieren. Grundvoraussetzung ist die Digitalisierung und dass man anstehende Fristen bereits im Griff hat. Zur Not muss man sich von Mandanten trennen, die den Weg nicht mitgehen wollen und vor allem nicht immer nur jammern.

Keiner kommt um die Digitalisierung seiner Kanzlei mehr herum. 

Für uns geht es nicht darum, in weniger Zeit mehr Geld zu verdienen, sondern um mehr Gesundheit, Freude und Spaß an der Arbeit.


Vielen Dank für das Gespräch

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