Ohne Fehler kein Erfolg – 6 Tipps zur ultimativen Fehlerkultur
Nobody is perfect, auch wenn man das gerne gerne wäre. Doch müssen wir gestehen: Fehler passieren jedem. Den Unterschied macht, wie man mit seinen Fehlern umgeht: Vertuschen, tabuisieren, bestrafen oder aber analysieren und daraus lernen. Egal ob im Geschäft oder privat: Es geht nicht darum, wie viele Fehler man macht, sondern was man daraus lernt.
Fehler vermeidet man, indem man Erfahrung sammelt. Erfahrung sammelt man, indem man Fehler macht. – Laurence Johnston Peter
Leider scheint diese Botschaft in vielen Unternehmen noch nicht angekommen zu sein. Die Forderung nach einer „Fehlerkultur“ ist zwar in fast jedem Unternehmen vorhanden – erfüllt wird sie offenbar aber selten. Wenn man genauer nachfragt, weiß kaum jemand, was genau mit der gewünschten Fehlerkultur gemeint ist, welche Merkmale eine gute Fehlerkultur auszeichnet und was dadurch erreicht werden soll.
Wir erklären dir in diesem Beitrag, welche Auswirkungen die Angst vor dem Scheitern hat, was mit Fehlerkultur eigentlich gemeint ist und was eine konstruktive Fehlerkultur auszeichnet. Der richtige Umgang mit deinen eigenen Fehlern und den Fehlern anderer verbessert letztendlich nicht nur deine geschäftlichen, sondern auch deine privaten Beziehungen.
1. Scheitern – ein Tabu?
Scheitern gilt in Deutschland als peinlich. Wenn man als Unternehmensgründer scheitert, dann ist man in der Gesellschaft nicht mehr viel wert. Das bekam auch FDP-Chef Christian Lindner im Düsseldorfer Landtag zu spüren. Als er eine neue Gründungskultur in Deutschland forderte, rief ein SPD-Abgeordneter dazwischen, Lindner habe damit ja wohl Erfahrung. Der Kommentar spielte darauf an, dass Lindner selbst Unternehmensgründer war – und scheiterte. Vor beinah 15 Jahren ging seine Internet-Firma Moomax insolvent.
Lindner reagierte auf diese Bemerkung mit einer Wutrede, die sich mit rasanter Geschwindigkeit im Internet verbreitete. Er antwortete: „Herr Kollege, mit mir können Sie das ja machen. Ich bin FDP-Vorsitzender, ich bin andere Anwürfe gewohnt. Aber welchen Eindruck macht so ein dümmlicher Zwischenruf wie Ihrer auf irgendeinen gründungswilligen jungen Menschen?“.
Was man von Lindners Reaktion halten möchte, sei dahingestellt, aber mit seiner Kernthese spricht er einen wichtigen Punkt an: Die Angst vor dem Scheitern lähmt viele Menschen in Deutschland. Gerade für junge Gründer ist das oftmals ein Grund, den Wunsch von der Selbstständigkeit nicht in die Tat umzusetzen – man könnte ja scheitern. Dabei spielt der Druck von außen eine nicht zu unterschätzende Rolle.
2. Die Angst vor dem Scheitern
Fall nicht hin!
Wer ständig Angst davor hat, einen Fehler zu begehen, der verfolgt immer die gewohnten Bahnen, probiert nichts Neues und hat eigentlich keine Chance auf einen großen Erfolg. Studien haben bewiesen: Wer seinem Kind „Fall nicht hin!“ sagt, erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind fällt um ein Vielfaches.
Dennoch wird uns schon von klein auf eingeredet, bloß nichts falsch zu machen. Schon in der Schule beurteilen Lehrer die Kinder oft nicht nach ihren Talenten oder ihrem Können, sondern nach der Anzahl der Fehler, die sie machen. Doch das hat fatale Folgen: Der Fokus auf Fehler führt zu neuen Fehlern.
Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen. – Dietrich Bonhoeffer
Angst erzeugt Fehler
Sowohl aus der Forschung als auch aus eigener Erfahrung wissen wir, die Angst einen Fehler zu machen, führt zu Verkrampfungen und letztlich zu Fehlern, die sonst nie passiert wären. Durch diese Angst herrscht in zahlreichen Unternehmen eine Risikovermeidung. Dies führt wiederum dazu, dass viele Führungskräfte und Mitarbeiter lieber nichts tun, als etwas Falsches.
Dabei spielt natürlich die Erwartungshaltung von Vorgesetzten eine große Rolle. Denn was wir von anderen erwarten, neigt dazu, wahr zu werden. Das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung ist schon lange in der Psychologie bekannt. Erwartet ein Chef beispielsweise von einem Mitarbeiter, dass er einen Fehler begeht, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich seine Vermutung bewahrheitet. Das trifft übrigens auch auf die eigenen Erwartungen an sich selbst zu: Wenn man sich selbst als „Pechvogel“ sieht, treten Fehler viel häufiger auf.
Die Angst, Fehler zu begehen, spielt natürlich nicht nur in der Arbeit, sondern auch im Privatleben eine große Rolle. Im Extremfall kann sie sogar dazu führen, dass Menschen sterben: Bei Unfällen trauen sich Augenzeugen oft nicht, einzugreifen, aus Angst, sie könnten dem Verletzten zusätzlichen Schaden zufügen.
Sollte man Fehler bestrafen?
Die Motivationspsychologie besagt, dass die Bestrafung von Fehlern die Persönlichkeit verändern kann: ursprünglich motivierte Menschen werden zu ängstlichen „Misserfolgsvermeidern“. Also zu Menschen, die nichts verkehrt machen wollen. Sobald eine Aufgabe mit Risiko behaftet ist, starten diese Menschen nicht einmal mehr einen Versuch, das Problem zu lösen, sondern verhalten sich passiv.
Die Bestrafung erzeugt Angst vor Fehlern und fördert deren Vermeidung. Das hat zweierlei Folgen: Zum einen bewegen wir uns in der Regel in die Richtung, in die wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Die Fokussierung auf Fehler beeinflusst deren Wahrscheinlichkeit also „positiv“ im Sinne eines Anstiegs.
Zum anderen lenkt die Angst vor Fehlern von der eigentlichen Aufgabe ab. Das Ziel der Arbeit sollte aber nicht sein, Fehler vermeiden zu wollen, sondern Aufgaben zu erledigen und Erfolge zu erzielen.
Hinzu kommt, dass Fehler meist so schon unangenehm genug für den Betroffenen sind. Da ist es nicht nötig, noch Salz in die Wunde zu streuen.
Dennoch neigen viele Führungskräfte, Mitarbeiter und Kunden dazu, negativ auf Fehler zu reagieren – verständlich. Denn Fehler sind nun mal ärgerlich. Trotzdem ist es letztendlich nur Ausdruck schlechten Benehmens, wenn man seine Frustrationen über Fehler an anderen Personen auslässt und sie mit besserwisserischen Vorhaltungen und unbeantwortbaren Fragen bombardiert. Doch viele Führungskräfte meinen immer noch, dass Bestrafung zum Erfolg führt.
Die Tatsache, dass nach einer Bestrafung tatsächlich weniger Fehler gemacht werden, ist aber weniger auf die Bestrafung zurückzuführen. Das liegt daran, dass Fehler statistisch gesehen seltene Ereignisse sind und je schwerer ein Fehler war, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er sich wiederholt.
Diese Illusion, dass Bestrafung zu weniger Fehlern führt, hindert Unternehmen an einem erfolgreichen Umgang mit Fehlern.
Das zeigen auch Studien der Universität Wien: Wer dauernd negatives Feedback für seine Fehler bekommt, der bringt seltener neue Ideen ein. Eine negative Fehlerkultur führt häufig zu noch mehr Stress, Leistungsdruck und Perfektionismus.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Die Angst vor dem Scheitern und der Versuch, Fehler zu vermeiden, haben nicht nur Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit, sondern auch auf die Arbeitseinstellung. Zum einen führt die Angst vor Fehlern dazu, dass weniger gearbeitet wird und zum anderen werden Fehler aus Angst vor Bestrafung gerne vertuscht. Dadurch können sich diese unbemerkt ausbreiten, vermehren und vergrößern. Wenn sich in Deutschland Baukosten für öffentliche Gebäude verzehnfachen und die Eröffnung um Jahre verschoben werden muss, dann hat das auch etwas mit einer schlechten Fehlerkultur zu tun.
Aus Angst, zu versagen, gibt es in Deutschland prozentual gesehen deutlich weniger Unternehmensgründer als beispielsweise in den USA. Viele wissen, dass es eine zweite Chance oft nicht gibt, da Banken und Investoren in Deutschland einen großen Bogen um gescheiterte Gründer machen. Dass es Sinn macht, einen zweiten Anlauf zu starten, zeigen erfolgreiche Unternehmer wie Lars Hinrichs, der Gründer von Xing, oder Max Levchin, der Paypal gegründet hat. Beide sind zunächst mit anderen Geschäftsideen gescheitert.
In vereinzelten Branchen hat man die Bedeutung einer konstruktiven Fehlerkultur bereits früh erkannt: In den 70er Jahren fand man heraus, dass in Flugzeugen alle vier Minuten ein Fehler passierte. In der Regel führt aber nur eine Verkettung von Fehlern zum Absturz. Seitdem trainieren Flugzeugbesatzungen, unabhängig von Hierarchien offen und ohne Schuldzuweisungen über Fehler zu reden und sich nicht dafür zu schämen. Der Erfolg ist offensichtlich: Die Gefahr, heute bei einem Flugzeugabsturz zu sterben liegt bei 1 zu 60 Millionen.
3. Was ist eine Fehlerkultur?
Da wir nun geklärt haben, wie man NICHT auf Fehler reagieren sollte, widmen wir uns jetzt dem erfolgreichen Umgang mit Fehlern. Dazu muss zunächst einmal geklärt werden, was man unter dem Begriff „Fehlerkultur“ versteht.
Konfuzius sprach…
Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten. – Konfuzius
Schon Konfuzius wusste, dass Fehler korrigiert werden müssen, um weitere zu vermeiden. Überliefert sind unter anderem auch die Überlegungen von Aristoteles, der zwischen drei Arten von Fehlern unterschied: Unglück, Fehler und schlechtes Tun. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Forschung an Fehlern intensiviert. Herrmann Weimar, Arthur Kießling und Siegmund Freund begannen, die Psychologie des Fehlers zu ergründen.
In den 70ern gewann der Umgang mit Fehlern auch im Wirtschaftsleben an Bedeutung; so wurde schließlich der Begriff der Fehlerkultur geprägt. Unter Fehlerkultur versteht man die Art und Weise, wie Gesellschaften, Kulturen und soziale Systeme mit Fehlern, Fehlerrisiken und Fehlerfolgen umgehen.
Laut Unternehmensberaterin und Autorian Elke M. Schüttelkopf basiert die Fehlerkultur einer Organisation auf drei Säulen, nämlich Normen und Werten, Kompetenzen und Instrumentarien.
Die Normen und Werte der Organisation bestimmen das Anspruchsniveau und die Art und Weise, wie mit Fehlern, Fehlerrisiken und Fehlerfolgen umgegangen wird. Außerdem benötigen die Organisationsmitglieder spezifische Kompetenzen im Umgang mit Fehlern, unter anderem mentale, emotionale sowie soziale und methodische Kompetenzen.
Werte und Kompetenzen bleiben aber weitgehend wirkungslos, wenn es an professionellem „Handwerkszeug“, an Instrumentarien, fehlt. Methoden und Techniken ermöglichen es den Organisationsmitgliedern, professionell mit Fehlern umzugehen. Laut Schüttelkopf ist es also allein mit dem „Wollen“ nicht getan – es kommt ebenso auf das „Können“ und „Dürfen“ an.
Selbst ein gutes System zu etablieren, kann dann ein Fehler sein, wenn keine entsprechende Fehlerkultur gelebt wird. Gut gemeint, aber der falsche Weg. – Hochreither
Wer in seinem Unternehmen eine Fehlerkultur einführen möchte, muss also zunächst klären, was das eigentlich sein soll und was damit erreicht werden soll. Auch wenn es gut klingt und sich auch ohne Zweifel anzustreben lohnt, Fehler als Chance zum Lernen zu begreifen, ist es doch in aller Regel nicht erwünscht, die Anzahl solcher „Lernchancen“ zu vermehren – denn Fehler kosten nun mal Geld. Je höher die Anzahl und Schwere der Fehler, desto höher die Kosten.
Demzufolge ist eine Verringerung der Fehlerzahl und eine deutliche Reduzierung folgenschwerer Fehler am Ende wohl das anzustrebende Ziel.
Wie erreiche ich das Ziel?
Wie Konfuzius schon wusste, ist es entscheidend aus seinen Fehlern zu lernen. Wer nicht aus Fehlern lernt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen. Das gilt sowohl für den einzelnen als auch für das Unternehmen. Aus Fehlern lernen kann aber nur gelingen, wenn:
- gemachte Fehler sachlich analysiert werden
- ihre Ursachen herausgearbeitet werden
- Maßnahmen eingeleitet werden, um einer Wiederholung vorzubeugen
Dafür ist es zwingend notwendig, die Möglichkeit zu schaffen, offen und ehrlich über Fehler reden zu können, um das Vertuschen und Leugnen von Fehlern zu vermeiden. Das wiederum setzt ein Unternehmensklima voraus, das frei von Ängsten, Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen ist.
4. 6 Tipps für eine starke Fehlerkultur
Die folgenden Tipps sollen dir dabei helfen, eine stabile Fehlerkultur aufzubauen. Je stärker die Fehlerkultur, desto besser sind in der Regel auch die Beziehungen zu anderen und zu sich selbst und desto größer die Chancen, sowohl persönlich als auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Die folgenden Tipps sind Wegweiser für eine funktionierende Fehlerkultur. Prüfe für jeden Punkt, inwiefern dieser für dich oder dein Unternehmen relevant ist.
1. Entkomme der Perfektionismus-Falle
Du versuchst, immer alles perfekt zu machen und Fehler um jeden Preis zu vermeiden? Mit diesem Anspruch überforderst du nicht nur dich selbst, sondern auch andere, zum Beispiel deine Mitarbeiter, deine Kinder usw.. Immer und überall fehlerlos sein zu wollen kann dein Berufs- und Privatleben sehr belasten. Ein zu stark ausgeprägter Perfektionismus kostet dich außerdem überdurchschnittlich viel Zeit und Energie und führt letztendlich zu ineffizientem Arbeiten.
Nutze das Pareto-Prinzip
Das „Paretoprinzip“, auch „80/20-Regel“, benannt nach dem italienischen Ökonom Vilfredo Pareto aus dem 19. Jahrhundert, besagt, dass 80 % der Arbeit in 20% der Gesamtzeit eines Projektes erreicht werden können.
Pareto hat damals herausgefunden, dass beispielsweise bei bestimmten Gemüsepflanzen 20% der Pflanzen für 80% des Ertrages verantwortlich sind und dass 20% der Bevölkerung 80% des Reichtums besitzen. Aus diesen Erkenntnissen hat er dann schließlich die „80/20-Regel“ aufgestellt. Während für 80% der Arbeit nur 20% der Zeit gebraucht werden, benötigen man für die verbleibenden 20% der Arbeit nach Pareto 80% der Zeit und diese verursachen damit die meiste Arbeit. Diese „80/20-Regel“ lässt sich auf diverse Bereiche sowohl im Privatleben als auch in der Arbeit übertragen.
Was kann man aus dem „Pareto-Prinzip“ lernen?
Zum einen solltest du akzeptieren, dass deine Arbeit nicht immer perfekt sein muss. Oftmals feilt man ewig an Kleinigkeiten herum und verschwendet damit Unmengen an Zeit. Das Ergebnis mag zwar dann sehr gut sein, aber es rechtfertigt noch lange nicht den zusätzlichen Aufwand.
Zum anderen macht es Sinn, seinen Anspruch an Perfektion je nach Aufgabe zu variieren. Nach Pareto solltest du Perfektion in 20 % der Fälle anstreben. Dazu gehören wirklich bedeutende und wichtige Aufgaben, wie zum Beispiel:
- bedeutsame Entscheidungen, die schwer wiegende Konsequenzen haben können
- wichtige Präsentationen, Reden oder Bewerbungsgespräche
- Aufgaben und Beziehungen, die dir besonders wichtig sind (Familie, gute Freunde, Hobbys…)
In den verbleibenden 80% der Fälle sind gute und solide Lösungen vollkommen ausreichend.
2. Habe keine Angst vor Fehlern
Die Angst, Fehler zu machen, führt zu übertriebenem Sicherheitsdenken und verpassten Chancen. Zahlreiche Studien belegen, dass sie die Kreativität lähmt und Innovation verhindert. Innovation bedeutet nun mal, ein Risiko einzugehen und das ist natürlich auf kurze Sicht gesehen gefährlicher als beim Alten zu bleiben. Wer jeden Fehler meiden will, riskiert aber Stillstand und Abstieg.
Überlegte Risiken in Kauf nehmen
Für die Arbeit gilt: Je mehr Verantwortung man im Job trägt, desto wichtiger ist es, überschaubare Risiken in Kauf zu nehmen. Wenn du ein Risiko eingehst, das sich als Fehlentscheidung entpuppt, kann das zwar teuer werden. Aber wenn du dich nicht entscheidest, um jedes Risiko zu meiden, wird es früher oder später auf jeden Fall teuer.
Auch im Privatleben ist es wichtig, dass du überlegte Risiken eingehst und Mut zu Fehlern hast. Jeder von uns hat in Beziehungen schon Enttäuschungen oder Verletzungen erlebt und dennoch sollte das nicht dazu führen, Kontakte zu meiden. Wenn man aus Fehlern diese Konsequenz zieht, verarmt man an Lebensfreude und sozialen Beziehungen.
Verzeihen lernen
Zu einer starken Fehlerkultur gehört auch das Verzeihen. Gestehe anderen und dir selbst Fehler zu. Wer nicht vergessen, verzeihen und von vorne beginnen kann, dem fällt es schwer, Beziehungen aufzubauen und zu halten. Wer dagegen selbst bereit ist, zu verzeihen und Entschuldigungen anzunehmen, kann in der Regel auch mit dem Wohlwollen seiner Mitmenschen rechnen.
3. Begrenze den Schaden
In vielen Bereichen gilt es leider immer noch als Stärke, standhaft und konsequent zu bleiben, auch wenn man weiß, dass man eine Fehlentscheidung getroffen hat. Das führt allerdings meist dazu, dass der Schaden, der durch den Fehler entstanden ist, noch größer wird.
Verliert man beispielsweise bei einer riskanten Börsenspekulation einen Großteil seiner Ersparnisse und sitzt seinen Fehler aus, in der Hoffnung, dass der Kurs wieder steigt, verliert man nur noch mehr Geld. Es gilt in solchen Situationen frühzeitig zu reagieren, um den Schaden wenigstens zu begrenzen.
Eine Grundregel einer starken Fehlerkultur lautet daher: Je später ein Fehler korrigiert wird, desto größer der Schaden. Wer einen Fehler aussitzt, verursacht oftmals erst dadurch die eigentliche Katastrophe – egal ob in der Arbeit oder im Privatleben.
Fehler eingestehen
Der Grund, wieso man so lange auf falschen Entscheidungen beharrt, ist sicherlich, dass es als schwach gilt, Fehler zuzugeben und seine Entscheidungen zu korrigieren. Deshalb ist es wichtig, dass wir demjenigen Verständnis und Achtung zeigen, der seine Fehler offen eingesteht und versucht, den Schaden zu begrenzen. Es ist wichtig, dass bei der Bewertung des Fehlers das schadenmindernde Verhalten positiv berücksichtigt wird.
Auch privat fällt es oft schwer, sich selbst Fehler einzugestehen, zum Beispiel wenn sich die Partnerwahl als eine Fehlentscheidung entpuppt, man den falschen Job gewählt oder sich auf dem Aktienmarkt verspekuliert hat. Ziehe deshalb die Reißleine, sobald sich deine Entscheidung als Fehler entpuppt – auch wenn es schwer fällt. Gehe einen Weg, der sich als falsch herausstellt, nicht weiter.
Ehrlichkeit zahlt sich aus
Den entstandenen Schaden zu begrenzen, bedeutet nicht nur, schlechte Projekte vorzeitig zu beenden. Es bedeutet auch, sich bei den Menschen zu entschuldigen, die unter deinem Fehler leiden müssen, und den Schaden anderer möglichst wieder gut zu machen.
Wenn du etwa einen Termin absagst, weil du etwas anderes erledigen musst, aber einen falschen Grund dafür angibst, kann das schwere Folgen haben. Erfährt derjenige von deiner Lüge, wird er dir wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr vertrauen. Entwaffne deshalb mit einem ehrlichen Fehlereingeständnis, statt die Sache zu vertuschen und nur noch schlimmer zu machen. Auch wenn die Absage eines bereits zugesagten Termins schwer fällt, wird dein Gegenüber deine Ehrlichkeit mehr zu schätzen wissen, als falsche Ausreden.
4. Suche Lösungen statt Schuldige
Sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen ist zwar menschlich – allerdings vollkommen unproduktiv, wenn man ein Problem lösen möchte. Anstatt die Aufmerksamkeit auf bereits vergangene, nicht mehr änderbare Tatsachen, zu richten, sollte die Frage, wie der Schaden möglichst klein gehalten werden kann, im Mittelpunkt stehen.
Wenn beispielsweise dein Kollege vergisst, eine Bestellung an einen Kunden auszuführen, und sich der Kunde bei dir beschwert, solltest du nicht die Schuld auf deinen Kollegen schieben und ihm hinterher einen Vortrag halten. Stattdessen gibst du den Fehler dem Kunden gegenüber offen zu und besprichst mit deinem Kollegen, wie man die Lieferung schnellstmöglich ausführen und den Kunden besänftigen könnte.
Richte deinen Blick nach vorne
Stelle eine lösungsorientierte Fehlerbearbeitung in den Mittelpunkt deines Interesses. Der Blick nach vorne bietet Chancen, der Blick zurück zum „Schuldigen“ lenkt zunächst nur davon ab. Es sind alle Beteiligten gefragt, gerade der Schadenverursacher, um eine gute Lösung zu finden. Bringe ihn deshalb nicht in die Verteidigungshaltung.
Vermeide rückwärtsgewandte Fragen wie beispielsweise:
- Wie konnte das nur passieren?
- Warum hast du das getan?
- Warum hast du nicht besser aufgepasst?
- Weißt du eigentlich, welche Katastrophe das für uns ist?
Frage stattdessen lieber:
- Was können wir tun, um den Schaden zu beheben/zu minimieren?
- Wie können wir negative Auswirkungen verhindern?
- Wie können wir einen solchen Fehler zukünftig vermeiden?
5. Begehe Fehler nur einmal
Mit Sicherheit ist es wichtig, Fehler als eine Chance auf Verbesserung zu sehen – diese Chance muss man aber auch nutzen. Einen Fehler einmal zu machen, kann man verzeihen, ein zweites oder drittes Mal sollte man den gleichen Fehler allerdings nicht begehen.
Fehler fair sanktionieren
Wenn du bei anderen feststellst, dass sie ihre Chancen nicht nutzen und die gleichen Fehler immer und immer wieder passieren, solltest du aktiv werden. Bemesse Maßnahmen, die du auf Grund der wiederholten Fehler ergreifst, dabei immer am persönlichen Verschulden. Das bedeutet, dass du „Strafen“ nicht an der Höhe des Schadens, sondern an dem Anteil der individuellen Schuld ausrichtest.
Natürlich muss man dabei immer beachten, dass die Versuchung, einen Fehler zu vertuschen, umso höher ist, je mehr man mit irgendeiner Art von Strafe rechnen muss. Deshalb solltest du hier wirklich fair bleiben und unbedingt honorieren, wenn jemand offen zu seinen Fehlern steht und den Schaden minimieren möchte. Ehrlichkeit und Einsicht sollten immer belohnt werden.
Bevor du aus einer emotionalen oder subjektiven Betroffenheit heraus handelst, solltest du immer den Anteil des persönlichen Verschuldens prüfen:
- War der Fehler überhaupt vermeidbar?
- Wurde der Fehler vorsätzlich begangen?
- Wurde der Fehler grob fahrlässig begangen?
- Hat sich derselbe Fehler wiederholt?
- Wurde der Fehler offen eingestanden, oder versucht zu verheimlichen?
- Hat der Mitarbeiter seine Fehler eingesehen? Scheint er daraus die richtigen Konsequenzen ziehen zu wollen?
Eigene Fehler erkennen
Bevor man die Fehler anderer ankreidet, sollte man auch immer seine eigenen Fehler unter die Lupe nehmen. Wenn du dich dabei erwischst, einen bestimmten Fehler immer wieder zu begehen, solltest du dich fragen, was die Ursachen dafür sein könnten. Hinter immer wiederkehrenden Fehlern steckt häufig ein tieferer Grund. So können beispielsweise bestimmte berufliche Fehler ein Signal dafür sein, dass du mit deinem Job oder Teilbereichen nicht mehr zufrieden bist. Gestehe den Grund deines Verhaltens ein und ziehe entsprechende Konsequenzen.
6. Sei ein Vorbild für andere
Man kann anderen noch so häufig erklären, dass man für seine Taten einstehen muss und dass Ehrlichkeit und Offenheit wichtige Werte sind – aber wenn man diese Werte nicht auch für sich selbst annimmt, wirkt man unglaubwürdig. Du kannst nicht erwarten, dass andere ihre Fehler eingestehen, wenn du selbst ständig versuchst, die Schuld von dir zu weisen und die Verantwortung auf andere zu schieben.
Eine gute Fehlerkultur kann man eben nicht mit guten Argumenten oder per Dienstanweisung einführen, sondern nur durch das eigene Vorbild. Das Gleiche gilt für das Privatleben: Man kann seinen Kindern nicht bestimmte Verhaltensweisen und Werte vorscheiben, wenn man diese selbst nicht einhält.
Gehe großzügig mit Fehlern um
Wenn du sowohl in deinem privaten als auch beruflichen Umfeld für eine konstruktive Fehlerkultur eintreten willst, musst du selbst dafür werben, indem du offen mit deinen eigenen Fehlern und großzügig mit den Fehlern anderer umgehst.
Zu einer vorbildlichen Fehlerkultur gehört mehr, als zu den eigenen Fehlern zu stehen: Stärke zeigst du, indem du nicht weiter nach Rechtfertigungen suchst und Fehler, die in der Vergangenheit begangen wurden, ruhen lässt. Du solltest die Stärke entwickeln, zu verzeihen – nicht nur anderen sondern auch dir selbst.
Viele Menschen suchen stattdessen nach Rache und wollen anderen ständig deren Fehler heimzahlen. Das führt zu regelrechten Kleinkriegen und Vorwurfshaltungen im Dauerzustand. Zielführend ist das nicht, weder in der Arbeit noch Zuhause.
Zeige Empathie
Es fällt viel einfacher, zu verzeihen, wenn man sich in andere hineinversetzen kann. Wer nachempfinden kann, warum jemand aus Angst gelogen hat oder aus Überförderung versagt hat, kann schneller und einfacher verzeihen. Ob ein Verhalten richtig oder falsch ist, ob man einen Fehler begangen hat oder nicht, liegt auch immer im Auge des Betrachters. Ein Verhalten ist oftmals nur so lange falsch, bis man die Sichtweise des Betroffenen verstanden hat.
Versuche deshalb, in die Rolle des anderen zu schlüpfen und seine Wertvorstellungen zu begreifen. Dass du sein Verhalten nachvollziehen kannst, heißt noch lange nicht, dass du es gut heißt. Die Sichtweise des anderen hilft allerdings dabei, nicht vorschnelle Schlüsse zu ziehen und andere nicht für etwas zu verurteilen, das man womöglich in ihrer Situation auch getan hätte.
5. Fehlerkultur im Unternehmen einführen
Wenn sich ein Unternehmen dazu entschlossen hat, eine Fehlerkultur einzuführen, muss sich nicht nur die Einstellung sowohl der Führungskräfte als auch der Mitarbeiter ändern, sondern es sollten auch Methoden und Werkzeuge dafür bereitgestellt werden.
Definition von Fehlern festlegen
Wie schon erwähnt, liegt die Definition eines Fehlers immer im Auge des Betrachters. Aus diesem Grund muss für alle Mitarbeiter zunächst geklärt werden, was unter einem Fehler zu verstehen ist. Dazu ist es notwendig, für alle relevanten Prozesse Standards festzulegen und Toleranzbereiche zu beschreiben. Nur wenn für alle Beteiligten klar ist, was unter einem Fehler zu verstehen ist, macht die Erhebung und Analyse der Fehler Sinn. Die Kriterien dafür sollten möglichst nachvollziehbar und messbar sein.
Anonymes Fehlermeldesystem
In größeren Unternehmen mach es Sinn, ein System einzuführen, bei dem Fehler anonym und nicht zuordenbar eingegeben werden. Um das Beispiel Luftfahrt wieder aufzugreifen erfolgt beispielsweise die Fehlermeldung bei Fluglinien anonym, sodass auch kleinste Vorfälle gemeldet werden, ohne Angst vor Konsequenzen oder die Gefahr, einem Kollegen zu schaden. Doch selbstverständlich ist Anonymität nicht immer im gleichen Maß möglich, da sich manche Prozesse eben leicht auf Personen zurückführen lassen.
Die grundlegende Frage, die sich ein Unternehmen stellen sollte, ist, wie Fehler erfasst werden sollen:
- Welche Instrumente, zum Beispiel Formulare und EDV-Systeme, werden verwendet?
- Wie umfangreich sollen Fehler beschrieben werden?
- Wie werden die Fehler kategorisiert?
Mit einem standardisierten Fehlermeldesystem können Fehler nicht nur anonym gemeldet werden, sondern auch Vorschläge für eine Verbesserung der Situation eingebracht werden. Natürlich ist immer abzuwägen, ob sich die Einführung eines solchen Systems und der damit verbundene Zeitaufwand wirklich lohnen.
In kleineren Firmen reicht es meist schon aus, den Umgang mit Fehlern im Unternehmen deutlich zu kommunizieren und gegebenenfalls Projektteams zusammenzustellen, um gemeinsam Lösungswege zu finden.
Fazit
Für eine gelungene Fehlerkultur ist ein Bewusstseinswandel im gesamten Unternehmen nötig – das gilt nicht nur für Führungskräfte, sondern in gleicher Weise für alle Mitarbeiter. Alle Beteiligten müssen verstehen, dass es sich bei Fehlern nicht um einen peinlichen Beleg ihrer persönlichen Unzulänglichkeit handelt, sondern dass manche Fehler eben gemacht werden müssen, um daraus zu lernen. Solange sich an der Einstellung jedes einzelnen gegenüber Fehlern nichts ändert, werden diese weiterhin vertuscht, verschwiegen oder auf andere geschoben werden.
Unser Umgang mit Fehlern prägt nicht nur unser Arbeitsleben, sondern unseren gesamten Alltag. Wir haben ständig Angst um unser Geld, unsere Gesundheit, unsere Zukunft – nicht umsonst spricht man von der „German Angst“. Die Angst vor Fehlern lähmt uns und verhindert persönliche und berufliche Entwicklung.
Jeder Mensch sollte sich ausprobieren dürfen und so oft scheitern, wie er möchte, ohne von der Gesellschaft dafür verachtet zu werden. Rückhalt ist dabei eine absolute Notwendigkeit vor allem für junge Menschen. Nicht der Fehler an sich, sondern das Vertuschen und Leugnen von Fehlern sollte als Tabu gelten. Eine neue Fehlerkultur und ein besser Umgang mit dem Scheitern würden uns nicht nur persönlich weiterbringen, sondern auch die Wirtschaft vorantreiben.
Wir sollten Fehler also als Chance verstehen und nicht als Katastrophe. Ohne Fehler keine Innovation. Zahlreiche Beispiele belegen, dass Fehler durchaus Positives bewirken können. Das Teflon wurde beispielsweise nur entdeckt, weil ein Chemiker mit Kältemitteln experimentiere und sie zu lange lagerte – und es gibt viele solcher Erfolgsgeschichten. Vielleicht sollten wir uns einfach die beschichtete Teflonpfanne ins Gedächtnis rufen, wenn das nächste Mal etwas schiefläuft.